Felix Philipp Ingold: LyrikText

Öfter mal begegnet mir neuerdings, wenn ich im Internet meine Antiquariate aufsuche, das eine oder andre meiner eigenen Bücher, von mir – «vom Autor» – gewidmet und signiert, Bücher also, die ich irgendwann irgendwem persönlich ausgehändigt habe, sei’s nach einer Lesung oder in einem Workshop, sei’s privat an Freundinnen und Kollegen. Mit einigen von ihnen bin ich bis heute persönlich verbunden, an die meisten kann ich mich kaum noch erinnern, von mehreren weiss ich, dass sie tot sind.
Woher und wie kommen die Widmungsexemplare in den Verkauf? Wer stösst sie ab, und warum? Aus Platzgründen? Beim Wohnungswechsel? Aus Desinteresse? Geld, Gewinn dürfte eine untergeordnete Rolle spielen, da auch signierte Bücher zeitgenössischer Autoren antiquarisch nicht allzu hoch bewertet werden.
Es ist schon merkwürdig, und bisweilen empfinde ich es als peinlich, ein von mir gewidmetes Buch mit dem Namen des Empfängers mit verbindlicher Preisangabe angeboten zu bekommen, und tatsächlich habe ich noch nie ein eigenes signiertes Buch zurückgekauft. Den Verkaufspreis – jeden Verkaufspreis – meiner publizierten Sachen empfinde ich als Abwertung und Missachtung meiner Arbeit. Das mag eine Fehleinschätzung sein, wenn ich bedenke, wie trivial die Gründe für die physische Trennung von einem Buch sein können und meistens wohl auch sind – auch bei mir selbst.
Anders liegen die Dinge dann, wenn meine signierten Publikationen aus den Nachlässen ihrer verstorbenen Besitzer auf den Markt kommen. Als Verkäufer fungieren in diesem Fall die Erben, die an den Büchern kein Interesse haben und sie nur einfach als Wertsache veräussern. So weit, so gut. Für mich als Autor ist dies allerdings ein irritierender Vorgang: Ich bekomme ein von mir verfasstes Widmungsexemplar angeboten, dessen einstiger Empfänger tot ist. Inwieweit kann die Widmung denn also noch Geltung haben? Bleibt sie an die verewigten Empfänger gerichtet oder verfällt sie bei deren Tod?
Mein nächstes Buch werde ich vorab «all denen» widmen, «die es lesen»; und die es gelesen haben werden, denen gehört es auch.
 
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik, 10. Juli 2023