Felix Philipp Ingold: LyrikText

«Warum eigentlich schreiben Sie?»

 

Warum ich schreibe! Weiss ich’s? Und … aber wozu wollen andere es wissen! Es ist ja sicherlich die am häufigsten gestellte Frage, mit der man als Autor – nach Lesungen, bei Interviews – konfrontiert ist. Konfrontiert. Denn bei aller Naivität oder Neugier schwingt in diesem althergebrachten Warum, oft kaum merklich, ein provokanter Unterton mit: Was hat dieser Autor, jene Autorin «eigentlich» zu sagen? Was hat literarisches Schreiben «eigentlich» für einen Sinn oder Nutzen – für die Schreibenden selbst, für das Publikum? Gäbe es nicht doch Besseres zu tun, als «schöne Literatur» in den Laptop einzutippen?
In aller Regel – man weiss es – sind Warum-Fragen gleichermassen trivial und fundamental. Sie werden immer wieder gestellt, weil sie nie definitiv zu beantworten sind. Und nie sind sie definitiv zu beantworten, weil es auf jedes Warum mehrere, bisweilen sehr viele mögliche Antworten gibt.
 

Das gilt auch für die Frage nach dem Warum des literarischen Schreibens, also nach dessen Grundimpuls und dessen Hauptziel. Man könnte … ich könnte dazu beliebige (weil nicht überprüfbare) Auskünfte geben: Ich schreibe aus Spass, aus innerem Drang, aus Verzweiflung, aus Frustration, aus Langeweile, aus Eitelkeit, aus Ruhm- und Ehrsucht, aus politischem, aus sozialem Engagement, aus einem Schuldgefühl, aus einem Selbsttherapie- oder Beichtbedürfnis, womöglich auch nur aus Honorargründen. Wer’s weiss!
Aber womöglich genügt ja (als zumindest vorläufige Antwort) eine Auskunft des Schriftstellers Aleksej Remisow, der die Warum-Frage einst wie folgt geklärt hat: «Man schreibt nicht für jemanden und auch nicht für etwas, sondern einzig dafür, dass geschrieben und nicht nicht geschrieben wird …»