Felix Philipp Ingold: LyrikText

“Ich ende. Die leichte Luft meiner Endlichkeit schwellt bei jedem Atemzugmeine Lungen. Meine Beziehung zum Unendlichen durchläuft jede dieser Etappen, jede dieser Fälligkeiten. Ich   lebe von meiner angebornen Fähigkeit, ohne Unterlass zu sterben”, sagte er.

Die Hebräer verglichen die Gegenwart mit einem Punkt; sahen in ihm das Ende der Vergangenheit und den Beginn der Zukunft.

Als den allerkleinsten Kreis - ein neues Zentrum - habe ich, im Buch der Fragen, den Punkt definiert. Punkt zum Vor- und zum Endspiel; doch zu welchem Ende? Zweifellos zu dem, das hinter ihm gelassen wurde von jeglichem Beginn; ein Haufen angekohlter Steine von einem abgebrannten Bau.

Die Schrift kennt nicht die Gegenwart. Das erste Wort bricht mit der Vergangenheit, um jungfräulich der fordernden Zukunft entgegenzutreten.

Mit frischer Tinte getränkt.

Jegliches Werden gründet in einem Unbekannten, das, sobald bekannt, erneut zum uranfänglichen Mysterium wird.

Die Zukunft wäre bloss die Unkenntnis einer noch zu entdeckenden Vergangenheit. Diese Unkenntnis ist das wahre Wissen, das in der Nacht, zwischen den Sternen, seine Königswege bahnt.
Bleibt nur, diese Nacht zu erreichen.
 

Der Widerspruch, den die Befragung nährt, mündet nicht in das Nichts, sondern in ein Unsagbares, das wir in Worte zu fassen hätten.

“Es gibt einen Wortsinn, der zu einem andern Sinn hinführt, der wiederum zu einem dritten Sinn führt, der uns einsichtig macht, dass wir noch auf der Schwelle zum Wort sind.

Alle Wortbedeutungen in einem einzigen Sinn zu erschöpfen, das ist die Aufgabe des Schriftstellers”, sagte er.

Im Ganzen ist auch der Zerfall des Ganzen, so wie im Sein auch der schicksalhafte Schwund des Seins ist. Welche Zukunft gibt’s dafür? Ja, was ist es, das letztlich fortdauert?

(“Die Praxis der Unbeständigkeit ist gebunden an die Praxis des Fragens: sie wird ausgeübt im Heraustreten aus sich; im Verzicht auf jegliche referentielle und denotative Endbestimmung, die dem Imaginären zugehört; in der Demut ihrer eignen, auf sie beschränkten Notwendigkeit; in der Erfindung eines Tods,  Adolfo Fernandez Zoïla)

 

(Das Wort ist nicht der Beginn, es ist das Letzte. Es ist der vorherige Endpunkt, der Aufgang zur fatalen Gefahr, die zu laufen der Mensch bereit sein wird.

Beginn und Ende des Geschriebnen sind nur störende Wortbesessenheit,
sind des Worts
falsche Mobilität.)

Vielleicht habe ich in meinen Büchern auch nur versucht, das bedrängende “Ich” loszuwerden zugunsten des beinah anonymen “Wir”.

Schreiben hiesse demnach bloss, allmählich dieser Anonymität sich anzunähern.

Vielleicht habe ich in meinen Büchern auch nur versucht, das bedrängende “Ich” loszuwerden zugunsten des beinah anonymen “Wir”.

Schreiben hiesse demnach bloss, allmählich dieser Anonymität sich anzunähern.

Der Andre sein und diesem zu erlauben, er selbst zu sein: dunkle Bahn der Anonymität.

“Immer wird es, um dem Henker Widerstand zu leisten, ein zerknülltes Blatt Papier geben, über dem ein feuchtes Wort, gleich einer späten Träne, vergossen ward.

Ich bin die Durchsichtigkeit dieses Worts”, hatte er geschrieben.


“Pflanz einen Baum in die fruchtbare Erde deines Bluts. Auch die Seele braucht Schatten”, sagte er.

“Die Anziehung, die das Gute auf das Gute ausübt, ist gleich der, die das Böse auf das Böse ausübt: eine endlose Anziehung”, sagte er noch.

“Das Buch”, so hatte er notiert, “öffnet sich nicht von links nach rechts und auch nicht von rechts nach links, sondern von oben nach unten: eine Seite im Himmel, eine Seite im Staub.”

Das Gute ist, in den Augen des Bessern, Enttäuschung des Guten.

“Mein Bett war der platte Stein meines Wegs.
Findest du, das sei gerecht?”

“Dies ist gerecht, denn um des nachts die Ruhe zu geniessen, hat’s dir nie an Stein gefehlt.”

Wunder gibt es nur für die Armen.

“Welche Bleibe soll man dem anbieten, der keinen Frieden gekannt hat?” pflegte er zu sagen.

Ihm wurde geantwortet: “Solang die Nacht der Nacht sich entsinnt und der Tag des Tags, wird es für sie kein Rasten geben.”